Am Mittwoch und Donnerstag fand auf der Axalp das Fliegerschiessen statt. Die Schweizer Luftwaffe präsentiert der Bevölkerung, was sie eigentlich kann. Da stellt sich allerdings die Frage: Braucht die Schweiz überhaupt noch eine Luftwaffe? Kommandant Peter Merz im Interview.
Die F/A-18 düsen an den Gipfeln vorbei, während die Piloten ihre Kanonkuglen aufs Ziel feuern. Ein Super Puma macht einen Looping in der Luft – ein Manöver, das für den Laien nur haarscharf an der Grenze des Möglichen vorbeigeht. Dies und noch viel mehr demonstrierte die Schweizer Luftwaffe am Fliegerschiessen.

Das Fliegerschiessen ist eine jährliche Demonstration der Schweizer Luftwaffe. An zwei Tagen demonstrieren die Piloten der Luftwaffe ihr Können. Tausende Menschen begeben sich auf die Axalp, um den Spektakel beizuwohnen.
Was aber auch dem geübtesten Auge entgeht: Die Flugzeuge und Helikopter brauchen eine Menge Treibgas. Dies ist einer der meist kritisierten Punkte der Luftwaffe: die Emissionen. Die Frage stellt sich schon beinahe von alleine: Ist eine Luftwaffe in Zeiten der Klimakrise überhaupt noch aktuell? Peter Merz, der Kommandant der Luftwaffe, stellt sich den Fragen dieser Zeitung.
Wie lange sind Sie schon Kommandant der Luftwaffe?
Peter Merz: Seit dem 1. Juli 2021. Also etwas länger als ein Jahr.
Flogen Sie auch schon einmal selbst bei einem Fliegerschiessen mit?
Ja, mehrmals. Ich kann allerdings nicht mehr genau sagen, wann. Aber ich war auch schon dabei – auf dem F-5-Tiger, aber auch auf einer F/A-18.
Wie ist es, bei einem Fliegerschiessen zu fliegen? Anders als ein normales Training oder eigentlich genau gleich?
Es ist tatsächlich wie ein normales Training. Wir machen nicht etwas Spezielles, nur weil jetzt Zuschauer da sind, zwar schauen einem ganz viele Menschen zu, aber vom Ablauf her ändert sich nichts. Und während des Fluges hat man auch gar keine Zeit, sich auf das Publikum zu konzentrieren.

Man ist so auf seine Aufgabe fokussiert, dass man davon gar nichts mitbekommt.
Man hat keine Zeit, an etwas anderes als den Flug zu denken. Man muss sehr gut vorbereitet und mental wirklich bereit sein. Im Flugzeug selbst muss man so viele verschiedene Sachen machen, da kann man gar nicht noch anderen Dinge nachhängen – geschweige denn die Landschaft geniessen.
Was fasziniert Sie persönlich an der Luftwaffe?
Bereits als Junge war ich begeistert von der Fliegerei. Auf der einen Seite war ich fasziniert, wie Raubvögel die Thermik ausnützen können, ohne mit den Flügeln zu schlagen. Auch nach über 100 Jahren Fliegerei bringen wir als Menschen das immer noch nicht so perfekt zustande wie die Natur. Auf der anderen Seite interessiert mich die Technik, die hinter dem Fliegen steckt. Besonders in der Luftwaffe hat man es mit sehr viel Hightech zu tun.
Apropos Vögel: Während der Flugvorführung konnte man auch die ganze Zeit Vögel beobachten, die sich von den Winden trieben liessen. Ist das für die Tiere nicht gefährlich – dass sie plötzlich im Weg eines Flugzeugs landen?
Ganz grundsätzlich in der Fliegerei passiert das ab und zu – Vogelschlag, nennt man das. Grundsätzlich sind Vögel aber sehr clever und weichen den Flugzeugen jeweils aus. Während der Vorstellung war die Vogelaktivität auch relativ tief. Zudem befanden sich die Tiere nah am Hang, wo sie den Fliegern nicht im Weg waren.
Auf den Flugplätzen haben wir immer einen Supervisor im Einsatz, der die Besatzungen vor möglichen Vogelschwärmen warnt und diese zum Beispiel mit Platzpatronen vergrämt.

Kommen wir auf das eigentliche Thema zu sprechen. Die Luftwaffe in der Schweiz ist umstritten – gerade hier in der Gemeinde Meiringen. Wie nehmen Sie die Reaktion der Bevölkerung auf das Fliegerschiessen wahr?
Ich stelle fest, dass es auch beide Seiten gibt. Die einen sehen die Vorteile des Flugplatzes – beispielsweise Arbeitsstellen im High-Tech-Bereich – während andere sich auf die Nachteile fokussieren. Das Fliegerschiessen bringt neben der zusätzlichen Belastung natürlich auch Vorteile für die Region. Dies vor allem in Form von Menschen, die teilweise von weit her kommen – auch aus dem Ausland – und hier übernachten oder essen gehen.
Das Fliegerschiessen ist auch über die Landesgrenzen hinaus beliebt?
Wir dürfen immer eine Vielzahl an Gästen aus dem Ausland willkommen heissen. Doch die die Mehrheit der Zuschauer und Zuschauerinnen kommt aus der Schweiz. Die Attraktivität des Fliegerschiessens ist offenbar so gross, dass uns auch Leute ohne direkte Verbindung zur Aviatik besuchen. Durch diesen Anlass können wir ihnen die Luftwaffe etwas näherbringen.
Den Menschen die Luftwaffe näherbringen – ist das das Ziel des Fliegerschiessens?
Als Luftwaffe ist man oft Kritik ausgesetzt: Wir sind die, die Lärm machen, die CO2 produzieren – und dann verschwinden wir einfach in den hohen Lüften. Mit dem Fliegerschiessen können wir den Menschen aufzeigen, was unsere Aufgaben sind – und was wir tun, um für den Schutz der Bevölkerung zu sorgen. Das ist durchaus das Ziel des Anlasses.

Fördern solche Vorführungen diese Kritik nicht noch mehr, wenn dadurch noch mehr Emissionen, noch mehr Lärm produziert werden?
Es werden nicht zusätzliche Emissionen produziert, denn die auf der Axalp geflogenen Flugstunden werden den Piloten voll angerechnet, die sie sonst anderweitig fliegen würden.
Die geladenen Gäste werden mit Super Pumas auf die Ebenfluh geflogen. Könnte man die nicht speichern, um die Emissionen zu vermindern?
Auch für die Helikopterpiloten, die den Lufttransport durchführen, ist das ein Training, welche die Flugstunden anderweitig fliegen würden. Teilweise handelt es sich um Milizpiloten, die so ihr Training absolvieren. Zudem können wir den Menschen mit dem Helikopterflug einen zusätzlichen Einblick in die Schweizer Luftwaffe geben.
Und wie sieht es mit der Munition aus? Bleibt die einfach liegen und verschmutzt so die Umwelt?
Wir haben ein Gebirgsdetachement, welches die verschossene Munition wieder einsammelt. Die Luftwaffe verwendet Munition, die für die Umwelt nicht schädigend ist. Im Grunde genommen ist es einfach Metall, das in den Boden fliegt, es ist beinhaltet keine Explosivstoffe.

Wie Sie das beschreiben, klingt das Fliegerschiessen gar nicht so umweltunfreundlich. Trotzdem: Die Luftwaffe bringt hohe CO2-Emissionen mit sich. In Zeiten der Klimakrise stellt sich da die Frage: Ist die Schweizer Luftwaffe überhaupt noch aktuell? Oder braucht es sie eigentlich gar nicht mehr?
Allgemein gesagt: Unser Land ist den verschiedensten Bedrohungen ausgesetzt. Klimawandel, Terrorismus, Naturkatastrophen, Strommangellage, Energiekrise – und es gibt nach wie vor eine militärische Bedrohung. Diese Bedrohungen dürfen nicht gegeneinander ausgespielt werden. Die Schweiz als Land muss gegen alle Gefahren eine Antwort haben. Dazu gehört eine Armee am Boden wie auch in der Luft.
Unser Auftrag als Luftwaffe ist es, die Bevölkerung und die Bodentruppen vor Bedrohungen aus der Luft zu schützen. Dass die Armee den Klimawandel nicht bekämpfen kann, dass man mit dem F-35A den Strommangel nicht lösen kann, ist klar.
Gibt es trotzdem Bestrebungen, auch in der Armee die CO2-Emissionen zu verringern?
Ja, ein Beispiel dafür ist der Sustainable Aviation Fuel (SAF). Das ist nachhaltiger Treibstoff, der mit grüner Energie hergestellt wird. In naher Zukunft werden wir diesen dem herkömmlichen Treibstoff beimischen. Das Ziel ist, dass wir unseren Flugzeugen möglichst viel nachhaltigen Triebstoff beimischen können. Auch unser Fahrzeugpark wird immer elektrischer, auf der Kaserne und der Militärinfrastruktur installieren wir Solarinfrastruktur. Wir leisten also auch im Bereich Nachhaltigkeit unseren Beitrag.
Kleinere Flugzeuge könnten zukünftig elektrisch unterwegs sein, wie sieht es mit den Kampfjets aus?
Im Moment stellen die Batterien ein Problem dar. Bisher haben sie nicht genug Kraft, um einen Kampfjet anzutreiben. Aber: Die Forschung geht natürlich auch im Luftverkehr Richtung Elektrik. Kleinere leichte Flugzeuge auf kurzen Strecken können bereits heute elektrisch betrieben werden. Grosse Flugzeuge – wie auch Kampfjets – hingegen werden wohl bis auf Weiteres mit Kerosin betrieben. Aber hier kann man eben das grüne Kerosin nehmen.

Gibt es noch andere Möglichkeiten neben der Bewegung Richtung Elektrik, um die Emissionen bei der Luftwaffe zu senken?
Die Flugstunden zu reduzieren. Mit dem F-35A werden wir beispielsweise deutlich weniger fliegen als mit den heutigen Fliegern. Dort kann man sehr viel mehr im Simulator machen. Zudem ist das Flugzeug einfacher zu bedienen, weshalb die Piloten weniger Flugstunden aufweisen müssen. Die heutigen Piloten fliegen zirka 120 Flugstunden pro Jahr, künftig werden es noch etwa 95 Flugstunden sein. Damit sparen wir mit dem F-35A rund 25 Prozent CO2 gegenüber heute ein.
Was sind die Entwicklungen für die Luftwaffe im Allgemeinen?
Die Luftwaffe muss robuster werden. Das heisst: Wir haben heute gewisse Fähigkeiten nicht mehr, die wir früher hatten. Dazu gehört beispielsweise die integrierte Luftverteidigung, das heisst das Zusammenspiel der Kampfflugzeuge und der bodengestützten Luftverteidigung, die Aufklärung ab einem Kampfflugzeug oder das Dezentralisieren, das Verteilen der Menschen und des Materials im ganzen Land. Diese Fähigkeiten müssen wir wieder aufbauen.
Was heisst das konkret?
Wir beschaffen neue Systeme – beispielsweise den F-35A – die viele Fähigkeiten mit sich bringen. Hinzu kommt auch die Vernetzungsfähigkeit dieser neuen Systeme. Wir können uns mit dem Rest der Armee digital vernetzen und unsere Daten teilen. Somit können alle von diesen Errungenschaften profitieren.