Ob mit Bildern, Worten oder auf der Bühne: Regula Stucki lebte ihr Leben lang von der Kreativität. Diese gibt sie inzwischen in Workshops auch weiter.
Die kleinen Zinnsoldaten hatten genug. Sie wollten sich nur noch hinlegen, ausruhen, ihr Leben geniessen. Leben. Noch aber konnten sie das nicht. Zuerst wollen sie dem Krieg ein Ende setzen. Und für den Frieden sorgen.
Das ist eines von Regula Stuckis aktuellen Projekten. Die Berner Künstlerin will aus Miniatur-Soldaten eine 20 Meter lange Friedensdemonstration machen. Aber dazu später mehr.

Schon als Kind sei sie sehr kreativ gewesen, erzählt Stucki. Das Gen liegt wohl in der Familie – besonders ihre Mutter sei eine «ungelebte Künstlerin» gewesen. Stucki hingegen gab sich voll und ganz ihrer Kreativität hin. Sie liess sich von ihr durch ihr Leben treiben, von der einen Ecke in die andere.
Der Spitalclown und die Kunst
Denn Kunst kann sich in jederlei Form ausdrücken – ob auf der Bühne, als Tänzerin, im Schreiben, in Bildern. Sogar im Spital. 14 Jahre lang war Stucki ein Spitalclown – Tochter Trallala – und heiterte so kranke Kinder auf. Oder brachte mit Madame Yvette etwas Leben in graue Altersheime.
Vor rund drei Jahren begrub sie allerdings beide Personas. «Mir ging die Leichtigkeit dieser Rollen ein bisschen verloren», meint sie. Und vielleicht sei es auch einfach an der Zeit gewesen, sich auf eine Sache zu konzentrieren. Damit habe sie schon immer Schwierigkeiten gehabt.

Stucki machte die Ausbildung zur Kauffrau in einem Buchverlag – damit sie doch noch eine «richtige Grundausbildung» habe. Ganz liess sie sich die Kunst allerdings nicht nehmen: Nebenbei erlernte sie privat das Handwerk der Schauspielerin.
Nach der Lehre folgte unter anderem ein abgebrochenes Mode-Studium in London, eine Journalismus-Karriere in der Schweiz oder einige Zeit in Irland, die sie dem Schreiben widmete. Stucki hat in ihrem bisherigen Leben so einiges erlebt und ausprobiert. Und dafür sei sie sehr dankbar.
Genau richtig
«Natürlich habe ich mich oft gefragt, wo es denn genau mit mir hingegen soll», gibt sie zu. Heutzutage sei ihr aber klar: genau dahin, wo sie war. Auch wenn ihr Leben von aussen vielleicht etwas planlos aussah, sie konnte zahlreiche Erfahrungen sammeln, die ihr heute allesamt weiterhelfen. Und letzten Endes habe sie eigentlich immer das Gleiche gemacht: ihren inneren Geschichten Ausdruck verliehen.
So auch in ihrem Atelier in Bern, das sie nun seit zehn Jahren führt. Dort bietet sie auch Kurse für Menschen an, die sich auch an der Kunst versuchen wollen. Alle sind willkommen – auch wenn Stucki eine gewisse Tendenz erkennen kann: Vor allem Frauen besuchen ihre Kurse. «In zehn Jahren kamen wohl rund vier Männer in meine Kurse», meint sie.
Auch wenn die männlichen Teilnehmer fehlen, führt Stucki die Kurse besonders gerne durch. Sie treffe immer auf grossartige Menschen, meint sie. Menschen, die sich für Kreativität interessieren. Die meist gar nicht wissen, wie kreativ sie selbst sein können. Stucki hilft ihnen, ihre innere Künstlerin zu entdecken – schon beinahe so, als wäre es ihre Berufung. «Solange es Menschen gibt, die durch mich ihre Kreativität ausleben können, muss ich das einfach machen.»

Und was inspiriert sie selbst eigentlich? «Alles», meint sie simpel. Ein Satz, ein Bild, ein Treffen mit einer Freundin – wenn man nur die Augen offen behält, könne man sich überall inspirieren lassen. Das Leben sei voller Musen.
«Eine Krise folgt der anderen»
Natürlich sei es dennoch nicht einfach, immer inspiriert zu bleiben. «Eine Krise folgt der anderen», sagt Stucki. Auch sie kämpfe manchmal mit einer inneren Leere. Allerdings könne man dann auch diese wieder zu einem Thema machen. «Auch Leere ist eine Fülle.» Und wenn sie sich an solchen Tagen kreativ betätigt, komme auch wieder die Freude und der Spass zurück.
Neben dem Artist’s-Block bringt das Künstlerinnen-Dasein aber noch andere Schwierigkeiten mit sich. «Das ist nicht nur mein Job, es ist mein Leben.» Ein Leben, von dem sie nie wirklich eine längere Pause bekommt. Ob mit administrativen oder künstlerischen Aufgaben – Stucki hat jeden Tag mehr als genug zu tun. Auch am Wochenende.
Einen Tag in der Woche arbeitet Stucki bei Offcut, einem Geschäft für kreative Materialverwertung. Manchmal geniesse sie es schon, zu wissen, dass sie am Abend einfach den Laden schliessen kann und damit die Arbeit für den Tag erledigt ist.

Trotzdem würde sie auch nichts an ihrem Leben ändern wollen. «Ich hatte ja einen Nine-to-Five-Job – und das hat mich nicht glücklich gemacht.» Natürlich habe der Büro-Alltag Vorteile. Aber Stucki bereue ihre Entscheidung nicht. Solange sie kann und die Leidenschaft noch da ist, werde sie ihr Leben der Kunst widmen.
Derzeit beschäftige sie sich mit mehreren Projekten. Zum einen gebe sie einen Kurs – «Musenschmusen» – in dem sie eine Gruppe Frauen durch den Winter führe. Zudem arbeite sie derzeit auch an einem Buch über ihre Kunst.
Und nicht zuletzt: die Friedensdemonstration. Über eine Freundin kam sie an 7000 Zinnsoldaten – obwohl sie die zuerst gar nicht wollte. Allerdings habe die Freundin ihr erzählt, dass sie in «Schächteli mit Papierli» eingepackt seien – «und die wollte ich unbedingt». Gesagt, getan. Sobald sie die Zinnsoldaten gesehen hatte, wusste sie auch, was sie mit ihnen anfangen sollte: eine Friedensdemonstration.
Sie nahm den Soldaten ihre Waffen ab und verwandelte sie in Hippies. Mit farbenfrohen Kleidern. Letzten Endes soll daraus eine 20 Meter lange Friedensdemonstration entstehen – die sie an der Biennale in Venedig ausstellen möchte. «Mal sehen, ob Pro Helvetia mein Projekt auswählen wird», lacht sie. Wenn nicht, sei es auch nicht so tragisch. Das sei dann einfach ein Teil der Geschichte.
Dieser Artikel ist ursprünglich auf jungfrauzeitung.ch erschienen.