Im rollenden Büro die Feststimmung geniessen


Schon bald ist es wieder soweit: Die ganze Familie kommt zusammen und geniesst während Weihnachten einen leckeren Festschmaus. Allerdings können nicht alle die Festtage im Kreise der Familie geniessen: Unter anderem auch Lokführer müssen an diesen Tagen arbeiten.

Einer, der Weihnachten nicht bei der Familie, sondern im «Büro» verbringt, ist Stefan Gfeller. Der 33-Jährige arbeitet seit zehn Jahren als Lokführer bei der SBB – nachdem er zuvor die Ausbildung zum Metzger machte. Ein interessanter Sprung. Wie es dazu kam? «Im Militär war ich Lastwagenfahrer und musste die Fahrzeuge auf einen Zug verladen», erzählt er. Dabei sei er ins Gespräch mit dem Lokführer gekommen, welcher ihm einen Einblick gewährte. Das Interesse fürs Zugfahren war geweckt.

Als er sich bei der SBB bewarb, ging er allerdings nicht davon aus, dass sie ihn auch tatsächlich nehmen würden. Früher habe man oft eine Elektriker- oder Mechaniker-Lehre gebraucht, um Lokführer zu werden, erklärt Gfeller. Denn: Für den Beruf des Lokführers benötigt man viele Kompetenzen. Mehr, als nur im Führerhaus zu sitzen und loszufahren. «Das ist ein Klischee, das viele Menschen im Kopf haben», sagt Gfeller. Ein Klischee, das gar nicht stimme.

Stefan Gfeller arbeitet seit zehn Jahren als Lokführer bei der SBB.

Zwar sei das technische Wissen nicht mehr so gefragt wie früher. Heutzutage sei – wie vielerorts – auch bei den Lokführern alles zunehmend digital. Dennoch muss man als Lokführer sehr viel wissen. Dies beinhalte unter anderem die Fahrdienstvorschriften des Bundes, die Betriebsvorschriften des Unternehmens sowie auch die Vorschriften der Infrastruktur – beispielsweise gebe es unterschiedliche Signalbilder, aufgrund derer der Lokführer seine Fahrweise anpasst. Damit das Wissen und die Prozessabläufe auch immer auf dem aktuellen Stand bleiben, müssen Lokführer alle fünf Jahre eine Prüfung ablegen – wobei «die Materie sehr intensiv» sei.

«Darf kein Fehler passieren»

Und auch wenn ein Lokführer früher vielleicht ein breiteres technischen Wissen haben musste – das Führen von Zügen ist dennoch nicht einfach. Die mehrere Hundert Tonnen schweren Züge mit einer hohen Geschwindigkeit sicher zu bedienen – das fasziniere ihn auch nach zehn Jahren Arbeit noch. «Es darf dir kein Fehler passieren, du musst permanent konzentriert sein», meint Gfeller.

Doch nicht nur mental, auch körperlich verlangt einem der Beruf des Lokführers einiges ab. Bevor man überhaupt angenommen wird, muss man zahlreiche medizinische Checks durchlaufen. Wie die Wissensprüfung werden auch diese alle fünf Jahre wiederholt. Im Alter sogar noch häufiger.

Wie jeder Beruf bringt auch der Lokführer Nachteile mit sich. Für Gfeller sei es das Schicht-Arbeiten. Wenn er den sechsten Tag in Folge eine Frühschicht habe, hänge das zwischendurch schon etwas an. Aber trotzdem: Die Arbeit mache dies allemal wieder wett.

Stefan Gfeller arbeitet auch über Weihnachten.

Sein persönliches Highlight: die Natur. «Ich habe im Grunde genommen ein rollendes Büro», meint Gfeller. Ein Büro mit Rundum-Blick auf alles, was er sich nur wünschen kann. Er sehe die schönsten Sonnenaufgänge, aber auch die schönsten Sonnenuntergänge. Zudem geniesse er es, den Wechsel der Jahreszeiten an den verschiedensten Orten zu beobachten. Von Bern über Brig zum Romanshorn bis nach Genf.

Kurzes Bad im Genfersee

Auch seine Pause verbringt er immer irgendwo anders – und hat manchmal sogar Zeit, ein kurzes Bad im beispielsweise Genfersee zu geniessen. Er habe seine Dienstpläne – «aber in dieser Leitplanke kann ich mich relativ frei bewegen». Denn: Eine Pause ist vorgeschrieben. Nach viereinhalb Stunden müsse er mindestens 20 Minuten Pause machen. Meistens sei es aber rund eine Stunde.

Da der öffentliche Verkehr über die Festtage nicht einfach stillstehen kann, müssen die Lokführer auch an Weihnachten ihr Handwerk ausüben. Dieses Jahr arbeitet Gfeller sogar an Weihnachten und über Neujahr. Dennoch bleibt ihm etwas Zeit, um mit seiner Familie zu feiern. «Wir feiern Weihnachten einfach, wenn ich zu Hause bin.» Je nach Dienst gibt es einen Brunch oder ein frühes Abendessen, da der Lokführer für eine Frühschicht auch früh ins Bett muss.

Dass Gfeller an Weihnachten arbeitet, störe ihn aber nicht besonders. Immerhin habe er gewusst, worauf er sich einliess, als er sich für diese Stelle bewarb. Aber: «Wenn man weiss, dass die ganze Familie zu Hause am Feiern ist, wäre man natürlich auch gerne dabei – aber das gehört einfach zum Beruf.» Auch könne er manchmal während der Arbeit schon etwas feiern: An Silvester habe er auch schon mit Kollegen und Kolleginnen auf das neue Jahr angestossen – selbstverständlich mit Rimuss.

Auch wenn er arbeiten muss – Stefan Gfeller könne in seinem rollenden Büro trotzdem etwas die Weihnachtsstimmung geniessen.

Die Festtage unterscheiden sich auch etwas vom normalen Betrieb. Zum einen fahren die Züge dann nach dem Sonntagsfahrplan, der sich vom Betrieb unter der Woche unterscheidet. Aber auch die Menschen verhalten sich an Weihnachten anders als normalweise: Viele seien in Feststimmung und dadurch hilfsbereiter und verständnisvoller. «Beispielsweise akzeptieren sie auch eine Störung einfacher», sagt Gfeller.

Güetzi als Dankeschön

Auch habe Gfeller schon kleine Geschenke an Weihnachten bekommen – wie Kekse oder einen Grittibänz. «Eine Kundin klopfte beispielsweise an die Lok und hat mir selbst gemachte Güetzli gegeben», erzählt Gfeller. Als Dankeschön, dass er an den Festtagen arbeite.

Und auch wenn es nicht dasselbe ist, wie mit der Familie zusammen unter dem Weihnachtsbaum zu feiern – Gfeller erlebt bei der Arbeit auch sonst etwas Feststimmung. Beispielsweise wenn er in Zürich einfährt und die grosse Festbeleuchtung geniessen kann.

Dieser Artikel ist ursprünglich auf jungfrauzeitung.ch erschienen.

,

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert