In der Schweiz nimmt die Artenvielfalt in der Tierwelt ab. Früher heimische Tiere sind nun nirgendwo mehr aufzufinden. Der Tierpark Bern will dem entgegenwirken – unter anderem mit einem Käfer-Treff und einem Monitoring für Kleinsäugetiere.
Der Tierpark in Bern, direkt an der Aare – für Gross und Klein immer ein Erlebnis. Ob Streichelzoo, Seehunde oder Wölfe: Im Dählhölzli findet sich für alle etwas. Nun sollen auch die einheimischen Tiere nicht zu kurz kommen.

Das bisherige Motto des Tierparks lautete: «Mehr Platz für weniger Tiere». «Damit fanden wir national Anerkennung», sagt Reto Nause, Präsident der Tierparkkommission an einem Medienanlass. Dennoch wird es Zeit, sich ein neues Motto anzulegen: «Mehr Platz für Vielfalt».

Denn: Laut Bundesamt für Umwelt sind rund 35 Prozent von 10’000 untersuchten Arten in der Schweiz gefährdet, weitere elf Prozent potenziell gefährdet. Mit seiner Lage im Wald und an der Aare ist der Tierpark Bern auch Lebensraum für viele einheimische Arten.
Käfer-Treff als Hauptprojekt
Das frühere Motto ist in dem Sinn nicht mehr zeitgemäss. «Aufgrund des Biodiversitätsverlusts haben wir sowieso immer weniger Tiere», sagt Friederike von Houwald, Direktorin des Tierparks. Daher sei es wichtig, sich für die Artenvielfalt einzusetzen – und dieser mehr Raum zu geben. Konkret heisst das: «Der Tierpark setzt sich für Käfer ein, für Kleinsäuger, für Vögel, für Fledermäusen – Tierarten, die in und um die Gehege leben.»

Das aktuelle Hauptprojekt ist wohl der Käfer-Treff. Dort sollen Holzkäfer – allen voran der Nashorn- und der Hirschkäfer – ein neues Zuhause finden. Vor langer Zeit waren beide Insekten in Bern heimisch, wurden nun aber seit Jahrzehnten nicht mehr gesichtet. Das soll sich ändern.
Warum aber gerade Holzkäfer? «Die Tiere sind sehr wichtig für uns», sagt von Houwald. Holzkäfer fressen totes Holz ab und verwandeln es in Erde. «Dort können dann wieder neue Bäume wachsen», erklärt die Direktorin. In der Schweiz sind viele Käferarten stark bedroht. «Deswegen setzen wir unter anderem bei diesen Insekten an», erklärt von Houwald.
Gezüchtete Insekten
Eine ausgestorbene Art wieder zurückbringen: kein leichtes Unterfangen. Cornelia Mainini, Sektionsleiterin Bildung und Erlebnis, erklärt, wie man dabei vorgeht: «Mit dem Käfer-Treff – einem Tot-Holz-Garten – schaffen wir spezielle Strukturen, die die Käfer in ihrem Lebensraum brauchen.» Währenddessen werden die Insekten gezüchtet, damit sie dann dort ausgesetzt werden können – und sich hoffentlich ausbreiten.

«Das Ziel ist, dass wir gemeinsam mit der Stadtgärtnerei Bern weitere solche Treffpunkte bauen können», erklärt Cornelia Mainini. Natürlich immer «in Flugweite der Käfer». So sollen die Insekten ihren Weg ins «Berner Stadtareal» finden. «Die Holzkäfer-Population soll wieder eine gewisse Stabilität erreichen», sagt Mainini.
Bis die Berner und Bernerinnen die ersten Käfer beobachten können, wird es aber wohl noch eine Weile dauern: «Der Nashornkäfer beispielsweise braucht zwei, drei Jahre, um aus dem Larvenstadium zu kommen», erklärt Mainini. Der Hirschkäfer je nachdem noch länger. «Im Zuchtraum sind wir derzeit am züchten.» Wenn alles nach Plan laufe, werden im nächsten Jahr die ersten Larven im Käfer-Treff ausgesetzt. «Bis man aber die wirklichen Käfer sieht, wird es wohl noch eine Weile dauern.»

Unter seinem neuen Motto fokussiert sich der Tierpark Bern allerdings nicht nur auf die Insekten. «Auch die Kleinsäugetiere in unserer Region verschwinden langsam», sagt Mainini. Anders als beim Käfer gibt es allerdings noch Tiere – «wir wissen nur nicht, wie viele». Deshalb startete der Tierpark ein Monitoring. «Wenn wir wissen, wie viele Tiere hier noch leben, können wir entsprechende Aufwertungsmassnahmen treffen», führt Mainini aus.
Wie werden die Tiere überwacht?
Um die Tiere zu überwachen, arbeitet der Tierpark Bern mit verschiedenen Spezialisten zusammen. Untersucht wird unter anderem die Population von Spitzmäusen oder Bilchen.
Grundsätzlich verwendet der Tierpark drei Methoden, um die Tiere zu überwachen:
Fotofalle: Diese Falle wird automatisch ausgelöst und fotografiert die Tiere. Anhand der Bilder kann das Vorkommen im Gebiet ausgewertet werden.
Spurentunnel: Die Tiere laufen durch diesen Tunnel. Am Ende befindet sich ein Stück Papier, auf dem sie Spuren hinterlassen. Anhand dieser können Experten auswerten, welche Kleinsäugetiere im Gebiet leben.
«Kotröhrli»: In diesem kleinen «Röhrli» können die Tiere ihr Geschäft erledigen. Anhand einer Kot-Analyse kann herausgefunden werden, um welche Tiere es sich handelt.
Neben den beiden Projekten trifft der Tierpark zudem kleinere Massnahmen. «Beispielsweise werden wir unsere Hecken auffrischen», sagt Mainini. Den Tieren soll so mehr Lebensraum zur Verfügung gestellt werden. Auch werde eine neue Blumenwiese angelegt, Asthaufen gebaut und überall im Park Vogelkästen aufgehängt. Zudem werden bei der Pflege der Infrastruktur Änderungen vorgenommen: «Beispielsweise werden wir nicht mehr eine ganze Wiese auf einmal mähen.» So soll den Tieren, die im hohen Gras leben, der Lebensraum nicht weggenommen werden.

Die neue Strategie bringt aber auch Herausforderungen mit sich. Zum einen brauche es Geduld. «Derzeit sieht man noch nicht besonders viel von unserer Arbeit», sagt Mainini. Da braucht es teilweise etwas Willenskraft, um auch dranzubleiben. Und: «Käfer zu züchten, gibt sehr viel zu tun.»
Anpassungen an der Infrastruktur
Aber auch die kleinen Änderungen im Park – wie beispielsweise eine naturnahe Hecke oder Wiese – seien teilweise nicht ganz einfach umzusetzen: «Diese Infrastrukturen müssen intensiv unterhalten werden.» Gleichzeitig wollen aber natürlich die Tiere im Park nach wie vor betreut werden. «Hier brauchen wir einfach genug Arbeitskraft», sagt Mainini.


Trotz Herausforderungen packen alle Vollgas mit an. Immerhin verfolgt der Tierpark ein wichtiges Ziel: «Wir wollen die Artenvielfalt erhöhen», sagt von Houwald. In Bern, aber auch in der Schweiz und international. Die Diversität in der Fauna nimmt ab: «Wir nehmen das sehr ernst», meint von Houwald. Der Tierpark wolle sich mit dem Thema auseinandersetzen – und auch darauf sensibilisieren.
«Für die Besucher und Besucherinnen stellen wir zum einen Schilder auf», erklärt von Houwald. Darauf finden sie verschiedene Informationen, damit sie sich mit der Thematik auseinandersetzen können. «Zudem bieten wir auch verschiedene Führungen an», sagt die Direktorin. Auch für Schulklassen werde es spezielle Angebote geben.
Dieser Artikel ist ursprünglich auf jungfrauzeitung.ch erschienen.