In der Schweiz fehlen derzeit branchenübergreifend Fachkräfte – so auch in der Schule. Zudem verändern sich stetig die Fähigkeiten, die junge Menschen brauchen, um sich in der Welt zurechtzufinden. Ein Projekt in Thun will ihnen dabei helfen.
Am Dienstag ist es laut in der Schadaugärtnerei. Einige Jugendliche spielen Tischtennis, während sich andere geregt unterhalten. Plötzlich ertönt Musik, alle Jugendlichen verstummen und begeben sich zurück ins Innere. Während die Workshopleiterin erklärt, wie es weitergeht, ist es mucksmäuschenstill im Raum.
«Wir bieten im EduLAB Thun ausserschulische Workshops an», erklärt Simon Hirter, Co-Founder des Projektes. Das Ziel: den Teilnehmenden überfachliche Kompetenzen – «sogenannte Future Skills» – zu vermitteln. Dazu werde unter anderem «Design Thinking», eine Innovationsmethodik, verwendet.

Lanciert wurde das Projekt im Juni 2022, führt Hirter aus. «Die Herausforderungen, die sich heute den jungen Menschen stellen, sind ganz anderer Natur, als sie es früher waren», erklärt Hirter auf die Frage, warum das Projekt wichtig ist. Dies vor allem aufgrund der fortschreitenden Digitalisierung und Roboterisierung, welche die Wirtschaft umstellen werde und andere Kompetenzen erfordere. «Wir wollen die jungen Menschen auf das Leben im 21. Jahrhundert vorbereiten.» Zudem solle mit dem Angebot auch der Unterricht in den Schulen ergänzt und entlastet werden.
Erfahrung im Mittelpunkt
Dass es sich bei dem EduLAB um «einen ausserschulischen Lernort» handelt, hat einige Vorteile. Zum einen stecke im Verlassen des Schulzimmers und im Eintauchen in einen «Innospace» eine «sehr grosse Magie», meint der Mitgründer. Auch habe die Lehrperson eine andere Rolle als in den Klassenzimmern, sie ist wie die Schüler und Schülerinnen hier zum Lernen. Und das Wichtigste: Bei den Workshops handelt es sich um einen bewertungsfreien Raum – «es geht hier in erster Linie um die Erfahrung und die Aneignung der Kompetenzen».

Das Angebot ist breit. Schulklassen stehen drei verschiedene Formate zur Verfügung: das Projekt-, Berufs- und Medienlabor. Bei ersterem geht es um «projektübergreifendes Lernen», beim zweiten darum, die Berufswahl mal anders anzugehen, und beim letzten um die Fähigkeiten im Bereich Medien. Bei allen Workshops sind die vier Ks zentral: kritisches Denken, Kommunikation, Kollaboration und Kreativität – die sogenannten überfachlichen Kompetenzen oder «21st Century Skills» nach OECD. Zudem werden im EduLAB auch die wichtigen, im Lehrplan 21 verankerten, exekutiven Funktionen geübt.
Weitere Angebote
Neben den Workshops bietet das EduLAB auch verschiedene Freizeitangebote an. Diese finden jeweils am Mittwochnachmittag statt. In der Academy bietet das EduLAB zudem Ausbildungskurse für Lehrpersonen an, zudem werden Kurse für Lehrlinge lanciert.
Die Workshops finden derzeit in der Schadaugärtnerei in Thun statt. Schon bald wird das Projekt allerdings das Zuhause wechseln – «wir sind derzeit auf der Suche nach einem neuen Standort», erzählt Hirter. Wo genau das EduLAB künftig zu finden ist, kann der Mitgründer noch nicht sagen.

Allerdings soll nicht nur die Stadt Thun von dem Angebot profitieren: «Im Winter werden wir mit unserem Angebot auch mobil unterwegs sein.» In verschiedenen Gemeinden im Berner Oberland sollen die Workshops getestet werden, beispielsweise in Gemeindehäusern oder Turnhallen. So sollen auch die Menschen auf dem Land erreicht werden.
Ausbau des Projektes
Und wie sieht die Zukunft ansonsten für das EduLAB aus? Derzeit handle es sich noch um einen Prototyp. «Wir müssen nun herausfinden, ob das Projekt funktioniert und ob überhaupt Nachfrage besteht», erklärt Hirter. Zudem müssen sie auch die Finanzierung sicherstellen, damit die Workshops und Kurse künftig nachhaltig durchgeführt werden können.
Das Interesse der Menschen an dem Projekt scheint keine Hürde zu sein: «Wir erfreuen uns derzeit einer riesigen Nachfrage.» Bis Mitte April seien die Workshops in Thun komplett ausgebucht und es bestehe eine Warteliste vonseiten der Schulklassen. Und auch das Freizeitangebot am Mittwochnachmittag sei jeweils ausgebucht und es lohne sich, sich früh anzumelden.
Entsprechend positive Rückmeldung habe das Projekt bisher erhalten. Besonders die Lehrpersonen seien begeistert: «Sie lernen viel, das sie dann in ihren Alltag mitnehmen können», meint Hirter. Aber auch die Kinder und Jugendlichen scheinen die Workshops zu schätzen. «Wir haben viele Kinder, die gerne bald zurückkehren würden – oder sie fragen in der Pause, ob sie bereits weiterarbeiten können.» Die Reaktion der Lehrperson? «Das machen sie bei mir nie!»


Finanziert werde das Projekt im Moment zu einem grossen Teil vom Kanton und Bund. Das EduLAB Thun werde über die «Neue Regionalpolitik» unterstützt. Im Rahmen solcher NRP-Projekte wolle der Staat Randregionen in der Schweiz stärken. Das Projekt sucht aber für die Projektphase noch weitere regionale Unterstützung.
«Future Skills» für die Wirtschaft
Um die Finanzierung des Projektes in Zukunft sicherzustellen, ist das Gründer-Team derzeit auch mit der Wirtschaft und lokalen Partner im Gespräch. Denn: Die Workshops haben auch für sie eine grosse Bedeutung. «Die Future Skills, die wir hier den Teilnehmenden vermitteln, sind genau die Skills, die die Wirtschaft braucht», ist Hirter überzeugt.

Sein Ziel ist klar: «Wir wollen das Oberland als Innovationsstandort positionieren.» Das Angebot des EduLAB sieht er mittel- und langfristig auch als ein Mittel gegen den Fachkräftemangel an – «gerade die MINT-Fächer könnten dadurch mehr Interesse bekommen», meint Hirter.
Und was sind seine persönlichen Erwartungen an die Zukunft? «Ich hoffe natürlich, dass wir hier Fuss fassen können», sagt Hirter. Das Team hinter dem Projekt habe noch einige Ideen auf Lager, wie sie den Bildungswandel aktiv mitgestalten können. Ihr Wunsch: eine nachhaltige und gute Zukunft zu gestalten, in der die Kinder ihren eigenen Weg gehen können.
Dieser Artikel ist ursprünglich auf jungfrauzeitung.ch erschienen.